Teil 1 – Nervosität akzeptieren
Wer kennt es nicht? Dieses Kribbeln im Bauch…
Wenn man verliebt ist, dann finden es wohl alle von uns ganz wunderbar und super schön. Aber vor einem Wettkampf? Da empfindet man es dann doch oft als unangenehm, als Ablenker, als Hinweis für einen suboptimalen Leistungszustand.
Aber warum nur? Warum kann ein und dasselbe Gefühl des Kribbelns so unterschiedlich wahrgenommen werden? Der Grund dafür befindet sich zwischen unseren Ohren. In unserem Gehirn. Genauer: in unseren Kognitionen. Noch genauer: in den Bewertungen dieser Empfindungen.
Aus der Emotionspsychologie weiß man, dass Gefühle dadurch entstehen, dass wir Situationen wahrnehmen und im Anschluss auch bewerten, was zu der Entstehung des jeweiligen Gefühls und in der Folge dann auch zu einer Veränderung unseres Verhaltens führt.
Zurück zum Kribbeln. Was passiert denn da auf körperlicher Ebene? Was verursacht denn die Veränderung des Pulsschlags, der Atmung, des Schwitzens? Wer ist denn für die kalten Hände, das flaue Gefühl im Bauch oder vielleicht auch die zittrigen Knie verantwortlich? Ganz sachlich betrachtet sind es zwei Hormone: Das Adrenalin und das Cortisol. Die Stresshormone schlechthin! Aber sind die Beiden denn wirklich schlecht oder kontraproduktiv? Klare Antwort: Generell nicht! Unser Körper ist ein Wunderwerk. Und diese beiden Hormone statten uns in stressigen Situationen mit Extra-Energie aus. Die vermehrte Atmung sorgt dafür, dass wir mehr Sauerstoff aufnehmen. Der erhöhte Puls sorgt dafür, dass das mit Sauerstoff angereicherte Blut schneller durch den Körper gepumpt wird. Hin zu den großen Muskelgruppen, Oberarme, Gesäß, Beine. Die kleineren werden weniger versorgt, damit in den großen Muskelgruppen mehr Blut und Sauerstoff zur Verfügung stehen. Das ist der Grund für die kalten Hände. Das Schwitzen ist die natürliche Klimaanlage des Körpers, um vor Überhitzung zu schützen usw. Das alles bedeutet, dass das Adrenalin und Cortisol uns auf Aktion vorbereiten und dazu dienen, noch mehr Leistung zu bringen als unter Normalbedingungen. Konzentrieren können wir uns dann sogar auch noch besser. Das bedeutet: wenn es kribbelt, ist das ein gutes Zeichen! Denn dann kann ich noch mehr leisten als sonst! Wenn ich mir das klar mache, kann ich mit der Nervosität (die ich eben über die oben genannte Körpergefühle wahrnehme) anders umgehen.
Also zurück zu den Bewertungen dieser Körperempfindungen. Ich kann also entweder vor einem Wettkampf denken: „Oh nein. Meine Knie zittern, ich schwitze, mein Puls schlägt bis zum Hals, ich werde das niemals schaffen…“ Oder ich denke: „Super. Ich spüre den steigenden Puls, das Gefühl im Bauch, die schnellere Atmung. Sehr gut! Mein Körper bereitet sich auf Aktion und auf Extra-Leistung vor! Leute, Ihr werdet von mir jetzt noch mehr Leistung sehen als sonst!“
Die gleichen Körperempfindungen, aber völlig unterschiedliche Bewertungen. Einmal mit Angst verbunden, das andere Mal mit Zuversicht und Selbstvertrauen. Das Schöne ist, dass man die Kognitionen, also die gedanklichen Bewertungen, auch in diesen Situationen steuern kann. Wenn Angstgedanken kommen, kann ich ganz bewusst mit positiven Bewertungen dagegenhalten. Da hilft es manchmal tatsächlich auch, sich ganz plastisch ein Stopp-Schild vorzustellen, um die negativen Gedanken zu unterbrechen, und dann mit positiven Gedanken, wie mit einem Schutzschild dagegenzuhalten.
Es geht darum, die Nervosität oder eben das Kribbeln zu akzeptieren. Das gehört dazu. Und es ist gut, wenn es da ist. Denn dann kann ich mehr Leistung bringen. Sorgen müsste man sich eher machen, wenn es vor einem Start nicht mehr kribbelt. Gilt übrigens auch für Prüfungen oder andere Bewertungssituationen, wie z.B. auch ein erstes Date. Und auch das kann man sich gerne vor einem Wettkampf zu Gemüte führen: wenn es kribbelt, ist es das Gleiche wie vor einem Date. Und da freue ich mich auf das Gefühl! Also, was hält Euch davon ab, Euch auch vor einem Wettkampf über die Körperempfindungen zu freuen? Das ist Euer Date mit dem nächsten Wettkampf! Und die körperlichen Empfindungen bedeuten nichts anderes, als dass Ihr jetzt super Leistung bringen könnt! Genießt es! Wie das erste Date mit Eurer großen Liebe!
In den nächsten Kolumnen gebe ich Euch dann noch weitere Tipps zum Umgang mit Nervosität 😉