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Teil 2 – Wie Anker helfen können

In meinem ersten Beitrag zur Wettkampfapotheke hatte ich schon beschrieben, wie wir unsere Nervosität akzeptieren und die körperlichen Empfindungen mit positiven Gedanken umbewerten können.

Das ist aber längst noch nicht alles, wie wir der Nervosität Paroli bieten können.

Eine weitere Möglichkeit ist es, Anker zu nutzen. Mir als Norddeutsches Kind liegen solche „Bilder“ natürlich besonders, aber dahinter verbirgt sich mehr als maritime Verbundenheit.

Ein Anker kann mir helfen und kann mir Sicherheit geben. Und das können wir auf zweierlei Wegen nutzen: 1. Indem wir uns einen Anker, einen sicheren Pol suchen, und 2. indem wir schöne Dinge, Erinnerungen, Gefühle ankern.

Was ist ein Pol, der mir Sicherheit geben könnte, der meine Nervosität reduziert? Das kann z.B. der Blick zu einer Person auf der Tribüne oder am Beckenrand sein. Der Blick zu einer Person, von der ich weiß, dass sie mir positiv gegenüber gestimmt ist, dass sie hinter mir steht, an mich glaubt, mich unterstützt. Vor einem wichtigen Wettkampf macht es also Sinn, sich eine solche Person im Publikum oder am Beckenrand zu suchen und mit dieser auch abzusprechen, wo sie steht oder sitzt. Wenn ich dann am Startblock zu nervös werde, kann ein Blick zu dieser Person, zu meinem Anker, helfen, wieder Sicherheit zu finden. Ich konzentriere mich dann kurz auf diese Person, schaue dorthin und werde mir der Unterstützung bewusst. Das reduziert Spannung. Hilft übrigens auch bei Referaten und Vorträgen. Macht auch da immer Sinn, sich vorher jemanden auszugucken, von dem man weiß, dass er oder sie einen unterstützt. Und wenn es dann im Vortrag oder Referat vielleicht mal hakt, reicht oft ein kleiner Blick zu dieser Person, um wieder Sicherheit zu gewinnen. Also, sucht Euch Euren Buddy, Euren Anker, um Euch der Unterstützung bewusst zu werden, Sicherheit zu gewinnen und Spannung abzubauen.

Und wie kann ich nun Gefühle ankern? Dahinter verbirgt sich das klassische Konditionieren. Dem ein oder anderen von Euch ist bestimmt schon einmal der Pawlow’sche Hund begegnet. Beim klassischen Konditionieren führt ein eigentlich neutraler Reiz zu einer gelernten (konditionierten) Reaktion. Hierbei wird ein neutraler, eigentlich unbedeutender Reiz mit einem Reiz gekoppelt, der eine bestimmte Reaktion hervorruft. In unserem Fall wäre es idealerweise eine positive Reaktion, beispielsweise das Glücksgefühl nach einem tollen Rennen. Wenn ich nun jedes Mal, wenn ich so ein Glücksgefühl habe, eine besondere Bewegung mache oder mir an eine bestimmte Stelle, z.B. das Ohrläppchen fasse, und ich das Ganze einige Male mache, dann reicht irgendwann der Griff ans Ohrläppchen, um das schöne Gefühl auszulösen (ohne dass dann in dem Moment das schöne Erlebnis da war). Das kennen viele von uns, wenn wir z.B. bestimmte Musiktitel hören. Das Lied, das immer auf der Klassenfahrt lief, löst bei uns auf einmal -auch Jahre nach der Klassenfahrt- die schönen Gefühle und Erinnerungen aus. Und zwar ohne dass die schönen Momente wirklich da waren. Es wurde gelernt oder „konditioniert“, dass mit dieser Musik schöne Emotionen verbunden sind. Nicht ohne Grund sprechen viele Paare auch von „unserem Lied“. Wenn Ihr also das nächste Mal einen sportlichen Erfolg feiert, versucht alle Gefühle, alle Empfindungen, die damit verbunden sind, ganz bewusst wahrzunehmen. Was hört Ihr, was fühlt Ihr, was seht Ihr, was riecht Ihr, was schmeckt Ihr? Und macht in diesem Moment der Wahrnehmung eine bestimmte Geste, Bewegung oder Berührung, und zwar immer und immer wieder, wenn Ihr diese schönen Momente erlebt. Dann reicht irgendwann die Geste, Bewegung oder Berührung, um genau diese schönen Gefühle hervorzurufen. Eben auch am Startblock, wenn die Nervosität da ist. Berühmte Beispiele solcher Gesten oder Bewegungen sind die Becker-Faust oder die Bolt-Arms. Der Tennis-Spieler Boris Becker hatte nach gelungenen Schlägen oder Matches immer seinen rechten Arm angewinkelt und die Faust geballt. Der Sprinter Usain Bolt hatte nach seinen Siegen den linken Arm mit gestrecktem Zeigefinger nach oben gestreckt, den rechten angezogen mit gestrecktem Zeigefinger dahinter, wie ein Bogenschütze. Becker-Faust und Bolt-Arms sind fast schon eigene Marken geworden, was sich aber noch dahinter verbirgt, ist das Koppeln von positiven Emotionen mit diesen Bewegungen und Gesten. Und mache ich das regelmäßig und oft genug, reicht eben dann auch nur noch die Bewegung oder Geste, um die Emotion hervorzurufen. Und das kann ich wunderbar der Nervosität entgegenhalten.

Also los, Anker werfen, einholen und Segel setzen! Vielleicht mit geballter Faust oder gestreckten Armen und Zeigefingern 😉

Und wie man dann noch Rituale gezielt nutzen kann, erzähle ich beim nächsten Mal.

Bis dahin,

Eure Franka